Einmalige Walderlebnisse
Wer die Ruhe nicht im W a l d findet, wird sie woanders vergeblich suchen (Hl. Bernhard, Abt und Mystiker um 1200)
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DAS WALDVIERTEL ist eine landschaftliche Augenweide und verdient es daher, dass es auch aus touristischer Sicht verkehrsmäßig besser erschlossen wird, denn vor allem die Ur-lauber, welche über die westlichen Nachbarländer anreisen, sind bei ihrer Fahrt die letz-ten 25 bis 30 Kilometer mit "ungewohnt veralteten" Straßen konfrontiert. Aber die, echte Ruhe- und Erholungsuchenden, welche unterwegs sind, weil sie - ob aus Interesse oder Erfahrung - Sehnsucht nach diesem "Refugium der Stille" haben, werden sich etwa eine halbe Stunde vor ihrem Ziel auch von einer in die Jahre gekommenen schmalen, kurvi- gen Asphalt - Landstraße nicht abhalten lassen, um einmal eine "andere Welt" zu erle- ben. Denn, in der Tat wird das Waldviertel von Besuchern oft als "uriges Eldorado" be - zeichnet. Diese Meinung stammt nicht von ungefähr, wie jeder neuangekommene Gast bald feststellen wird. Der außergewöhnliche Landesteil "ganz oben" in Österreich kann nämlich mit keiner anderen Gegend verglichen werden. (Schon gar nicht mit einem standardisierten, geschniegelten und turbulenten Urlaubsort !). So erwartet die Besucher bei ihrer Ankunft ei- ne unverfälschte, hügelige und sehr stimmungsvolle Landschaft, die mit ihrem zurückhalten-tenden Zauber, dem Ankommenden n i c h t gleich im ersten Moment vereinnahmt oder "stürmisch um den Hals fällt", sondern sich von jedem Naturfreund buchstäblich "schrittwei-se" entdecken lassen will. Daher lernen die unvoreingenommenen Gäste das Land mit "seinen tausend Geheimnissen" meistens erst nach einigen Tagen wahrlich kennen, wenn sie beim gemächlichen Wandern inmitten bunter Wiesen, entlang blühender Felder sowie im allgegenwärtigen grünen Nadelwald, vom Zauber des Waldviertels inspiriert werden und dann nach einigen Tagen unvermeidlich mit der Natur in ihrer atmosphärischen Gelassen- heit in einem ganz vertraulichen Einklang gelangen. DABEI WERDEN AUCH DIE unzähligen Privilegien des Waldes mit seinem magisch, natürlichen Aura und der nachgewiesenen therapeutischen Sphäre in einem idylli-schen Umfeld, erstmals freudig wahrgenommen. Nur so einfach, wie sich das - ein noch im Alltag des Berufslebens verhedderter Großstädter, (dem wir bei seinem ersten Aus-gang in Richtung immergrünen Forst inkognito "auf den Fersen" bleiben) - vorgestellt hat, ist dieses Unterfangen gar nicht. Denn der Erholungssuchende würdigt in seiner Hektik ein munter quirlendes Bächlein auf der rechten Seite seines Weges ebenso wenig, wie den idyllischen, mit Granitblöcken gespickten kleinen Mischwald auf einer Anhöhe zur lin-ken Hand.
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Unser "Ruck-Zuck" - Entspannungssuchender schenkt auch den am Rande dieses Haines Block auf Block von den Elementen zusätzlich gigantisch aufgeschichteten - und so geradezu "ins Auge springenden" - hohen Steinformationen, infolge seiner noch betrieblichen Vereinnahmung, keinen Blick : "Habe ich der Sekretärin gesagt, dass
Günter Ressl (ein LKW-Chauffeur), der am Mittwoch vom Krankenstand zurückkommt, für eine Fahrt nach Saarbrücken eingeteilt ist ?" Ein Rabe auf dem Wipfel einer
knorrigen Saumfichte des inzwischen erreichten, angestrebten Na-delwaldes, entbindet mit seinem lauten "Kra-Kra" den Wanderer einer Antwort, auf die an sich selbst gerichtete Frage. "Soll das die Begrüßung zum Eintritt in den Wald sein?" ruft der Gestress- te zur eigenen Verwunderung über seine spontane Reaktion auf das Krächzen des schwarzen Gesellen in dessen Richtung. Der Rabenvogel scheint jedoch an einem "Gespräch" mit dem "Erdmenschen" nicht besonders interessiert zu sein : Er schwingt nach diesem Zuruf die Flügel und flattert - verfolgt von den Blicken des "Waldforschers" - über die unter ihm liegenden Kar-toffeläcker durch die Luft, bis er nach einigen hundert Metern auf einer kleinen Wiese landet. "Hier ist alles ganz anders als im normalen Leben", stellt der Urlauber überrascht fest und setzt seinen Weg, der ihm hier etwas holpriger erscheint, fort. "Aber das passt schon - herrlich ruhig ist es hier !" - stellt er erfreut fest und nimmt sich gleichzeitig vor, nicht mehr über zu Hau- se nachzusinnen, sondern überlegt, wie er und seine Frau die kommenden drei Wochen in die- ser - was ihm inzwischen dämmert - ansprechenden, ruhigen und "ganz anderen Welt" verbrin- gen werden :
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V Fortsetzung von "...verbringen werden" :
Viel Spazierengehen, Naturgeheimnisse aufspüren, Ausflüge zu Sehenswürdigkeiten machen, "nicht an den Alltag denken", Erlebnisse auf sich zukommen lassen, aber auch Veranstaltungen besuchen : Im Hotel gibt es eine Broschüre "DAS WALDVIERTEL vom Maibaumaufstellen - Bur-gen, Schlösser und Klöster - bis zum Oktoberkirtag", die auch ein umfangreiches Veranstaltungs-angebot enthält. Dieses Prospekt kann ihm und seiner Frau Elvira als wertvolle Hilfe für ihren "Alternativurlaub" dienen. (Die "gestylten", "standardisierten" und schrillen Massenversammlungen, der bisherigen Urlaube, sind weit in den Hintergrund geraten). Nach etwa 300 Schritten ver-lässt, der, ein ruhiges Plätzchen zum Hinsitzen Suchende, den Waldweg und wandelt wahllos zwischen den Bäumen herum. Zehn Minuten später trifft er auf einen etwa kniehohen Ameisen-hügel, auf dem offenbar ein konfuses Durcheinander herrscht. Trotzdem sieht er dem emsigen Treiben interessiert zu und muss nach längerem Beobachten des anscheinenden "Wirrwarr's" feststellen, dass keines dieser fleißigen Tierchen einen "unnötigen Schritt" macht. Jede Bewe-gung hat ihren Sinn, die im Detail - wie er daheim nachlesen wird - z. B. dem anspruchsvollen thermischen Wohnbau für den Winter im Inneren des Hügels, der Ernährung des Volkes, der Nachwuchspflege, der Verteidigung und anderen Lebensbelangen, dienen. Jede eigene "Trup-pe" hat ihren Aufgabenbereich. Er könnte diesem planmäßigen "Getriebe" stundenlange zuse-hen. Da er jedoch von der Wanderung etwas ausruhen möchte, muss er weiter eine Rastmög-lichkeit suchen und verlässt schweren Herzens das Wirkungsfeld der krabbelnden Schwerst-arbeiter. "Aber ich komme wieder", verspricht er seinen neuen Freunden zum Abschied.
Fortsetzung von Walderlebnisse :
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Wald - Balsam für Leib und Seele
Beim weiteren Hineingehen in
den Wald achtet er stets darauf, seinen Hauptweg immer im Auge zu behalten, um auch wieder heim zu finden. Endlich erblickt er in einiger Entfernung bei zwei mittleren Buchen einen Baumstrunk zum Niedersitzen. Er legt seinen Pullover auf den Holzstock und setzt sich. Plötzlich sind sie wieder da die Fragen von zu Hause: "Habe ich Oma und den Kindern gesagt, dass sie "Ronax " (dem Haushund) jeden Tag in der Früh auch einen Napf voll frischem Wasser hinstellen müssen?"
Wer nie vom Weg abkommt,
bleibt auf der Strecke ?!? ***********
"Was phantasierte ich da wieder herum", ärgert er sich über seine wieder einmal auftretenden Gedanken an daheim. So komme ich n i e zur Ruhe! Das ist doch alles nur psychischer Ballast, um das innere "Freiwerden" zu verhindern ! - "Weg ihr störenden Alltagsprobleme !" - Aber was war das? Zwitscherten hier Vögel? Tatsächlich, das gefiederte Volk führt in den Bäumen anschei-nend einen melodischen Dialog. Der "Waldbesucher" schließt die Augen: Man sollte halt die ein-zelnen Stimmen richtig zuordnen können : Buchfink, Rotkehlchen, Meise? Führen sie Liebesge-spräche oder geben sie ein Konzert ? In der Ferne hackt ein Specht wie verrückt : "Nur die Augen nicht öffnen ! - Die gute Luft !" Denn jetzt nimmt er auch das das dezente Fluidum der ä- therischen Öle und Harze in der Atmosphäre und von den Bäumen wahr. Ein wohliges Gefühl um-gibt ihn. Doch im gleichen Moment wollte sich schon wieder eine Angelegenheit existenzieller Natur einschleichen. Das empfindet der gerade dem Trubel entronnen Geglaubte als unfaire, hin-terhältige "Belästigung" und er drückt als Reaktion darauf die Augen noch fester zu : So ging das nicht weiter : Er musste eine Methode finden, wie er die "Welt von da draußen" von sich fern halten konnte. Allmählich nimmt eine Idee Formen an: Nichts tun - gar nichts tun! Und schon gar k e i n e n H O K U S - P O K U S ! N i c h t zwanghaft "Abschalten" ! Kein kon-zentriertes Meditieren! Nicht gewaltsam Entspannen-Wollen ! Sondern : Mit geschlossenen Au - gen den Gedanken freien Lauf lassen. Aber auch dieser Versuch scheint in die falsche Rich-tung zu gehen : Sein Sinnen kehrt diesmal zu einer "logistischen Angelegengenheit" in der Fir- ma zurück. Dieses Thema kommt ihm jetzt ganz zur Unzeit. Doch noch während er sich "selbst-ergeben" fügen will, führt ihn diese betriebliche Szene gedanklich zum "geordneten Werksab-lauf" der Ameisen, was ihn mit großer Befriedigung erfüllt. Nun dreht sich sein Denken nur noch um die kleinen rührigen Krabbler. Im Geiste "sieht" er das rastlose Gewusel auf dem aufgebauten Nadelstreu- und Kleinstholzhügel, der in Wahrheit ein hochorganisiertes "Unter-nehmen" ist. Und, wie verständigen sie sich ? Bei diesem Grübeln überkommt ihm eine ihm ganz unbekannte Entspannung und innere Ruhe. Obwohl er gerne wüsste, wie spät es inzwi-schen ist, verzichtet er darauf, die Augen zu öffnen und auf die Uhr zu schauen : "Gar nichts t u n...!!!" V
Endlich fühlt er sich seinem Wunsch der Verinnerlichung näherzukommen. Das ständige Verlan- gen, die Augen zu öffnen, ist weg. Die Lider werden schwerer. Ihn interessiert nichts anderes mehr als die "Ruhe". Die Gedanken setzen mehrmals hintereinander aus und wollen nicht mehr mittun. Allmählich bemächtigt sich seiner ein geistiger Dämmerzustand, während der "Weltflüchti-ge" noch immer die sanft würzige Aura des Waldes wohltuend wahrnimmt. Doch eine sich unbe-merkt eingestellte Müdigkeit bemächtigt nun alle seine Sinne und ganz unbewusst fällt er in eine wohltuende Umnachtung, die sich angenehm befreiend anfühlt, bis er schließlich in eine bese-ligende "Weltentrückung" versinkt.
Der laute Ruf eines Falken, der über den Wipfeln seine Runden zieht, stört den "Waldträumer" in seinem wonnigen Schlummer. Er muss sich erst fassen und kehrt etwas betrübt in die Realität zurück. Sein erster Blick gilt der Uhr : "Da habe ich jetzt ja fast eine ganze Stunde geschlafen und bin eupho-risch über den Wolken geschwebt", reagiert er schließlich völlig gelassen über die Störung durch den Schreihals. "Jedenfalls war es ein wunderbares Erlebnis, das mir mit meinem "Gar-nichts-tun" widerfahren ist", stellt er - mit sich und der Welt im Einklang - fest. Dabei ist er sicher, dass dieser ersten einzigartigen "Alltagsleben-Ausschaltung" und der damit verbundenen wonnevollen "Selbst-begegnung" noch weitere so zwanglose "Verinnerlichung" folgen werden. Auf dem Rückweg aus dem Forst fällt ihm auf, dass keine Vogelstimme zu hören ist. (Das "geflügelte Volk" ist wegen dem feindlichen Falken in Deckung gegangen). Außerhalb des Waldes bemerkt er auf einem Wiesenbuckel mehrere Krähen, die sich hüpfend und krächzend wahrscheinlich darüber unter-halten, wo es für ihre hungrigen Schnäbel etwas zu holen gibt. Überhaupt scheint sich die gan- ze Gegend hier "verändert zu haben?" : Er sieht nun nebenan einen plätschernden Bach und am Waldrand eines Hügels einige riesengroße Granitblöcke, einzelne Vögel und Schmetterlin-ge, von denen er sogar einen als "Zitronenfalter" erkennt. "Warum habe ich das alles nicht schon am Hinweg bemerkt", fragt er sich und fühlt sich dabei wie neu geboren. Im Weitergehen entdeckt er gegenüber dem im Tal liegenden Ort einen großen Baumbestand, bei dem es sich um einen Hochwald handeln dürfte. "In diesem Forst werden meine Frau und ich, wenn das Wetter passt, übermorgen gemeinsam eine "Gar - nichts - t u n - Stimulierung versuchen", beschließt er froh gestimmt. Da "seine Elvira" eine begeisterte Naturfreundin ist, wird sicher mitmachen,
Loslassen - Freiwerden - R e g e n e r i e r e n
ZUHAUSE ERZÄHLT er dann Elvira haargenau von seinem "Traum-Erlebnis" und sie stimmt gleich zu, dass sie am Donnerstag (Morgen steht ein Museumsbesuch in Eggenburg fest) ge-meinsam seine Methode der "Weltdistanzierung und Selbstregenerierung" ausprobieren wer-den. Entsprechend ausgerüstet, wählen sie dann nach einem Tag, einen etwas ansteigenden Pfad, der eine Abkürzung in Richtung des angestrebten Waldes bildet, um dort einen ruhiges Plätzchen zu finden, wo man seine hinderlichen "Alle-Welt-Gedanken" los werden kann. Auf ih - rem Weg geniessen sie bewusst die gute Luft und außergewöhnlich geruhsame Umwelt mit meh-reren blühenden Mohn- sowie zahlreichen Kartoffel- und blauen Flachsfeldern. V
GELEGENTLICH nennen sie die Namen der Blumen, die entlang des Weges wachsen. Beson- ders angetan sind sie auch von einzelnen kleineren Nadelwäldern in "greifbarer" Nähe und dem ebenso malerischen Waldpanorama in der Ferne. Entspannt plauderten die beiden nebenbei über den gestrigen Besuch im Museum mit einer Sammlung von urzeitlichen Exponaten und Skeletten aus der 300 - millionenjährigen Erdgeschichte. Er : "So viele Millionen Jahre Vergan-genheit zu dokumentieren, das ist schon imposant und heute..." - "Halt, bleib steh´n, Joachim!", unterbricht ihn seine Frau unerwartet vehement, als sie an einer Birken- und Föhren-gruppe vorbeikommen, in deren Bereich mehrere riesengroße Steinblöcke liegen. In vielen Jahren hat sich auf der Oberfläche dieser Felsen eine Schicht aus Erde, Streu und Nadeln angesammelt. Dieser Humus bildet die spärliche Grundlage für einige klei- ne Birken- und Nadelholzsprösslinge. Elviras Aufmerksamkeit gilt jedoch nur den Wur-zeln einer etwa drei Meter hohen Föhre, die auf einer breiten Abstufung des Fels-blockes steht. "Da schau dir das an !", sagt sie zu ihrem Mann und zeigt auf eine, zum Teil aus der Erde hervorschauende - zirka 70 Zentimeter lange Wurzel des Baumes, die einen selbstständigen Weg über den Stein genommen hat und dann in einer Kluft zwischen zwei Blöcken Richtung Boden verschwindet. FÜR DIE WANDERER ist das ein botanisches Phänomen : Der eigenwillige Erdtrieb besorgt so zusätzlich für den Baum Nährstoffe und Feuchtigkeit aus dem Boden. "Wie gibt es das ?, fragt er. Wie weiß die Wurzel, w o sie zu Nahrung und Wasser kommt ?" Elvira meint, dass der Grund dafür atmosphärisch - hydrologische und geologische Strahlen und Adern sein könnten. Worauf er erwidert: "Du mit deiner Wissenschaft - für mich ist das ein Wunder !" Als Elvira mit den Worten: "Wahrscheinlich haben wir beide nicht unrecht !" - einlenkt, bleibt für die beiden "Entdecker" lediglich die Erkenntnis, dass die Natur nicht nur keinen Fehler machen kann, sondern im Verborgenen "nebenbei" auch wunderbare, außernatürliche Werke hervorbringt, an denen die Menschen "achtlos vorbeigehen". Im Weiterwandern sind sie sicher, dass das Waldviertel - wenn beide aufgeschlossen ihren Sinnen vertrauen - für sie noch "einige" ungewöhnliche "Geheimnisse" bereithält...!
ALS sie nach einiger Zeit in den angestrebten Wald hineingehen, sind sie zuerst von den vielen ho-hen Bäumen überrascht. Im Stillen hätten sie sich eine etwas "reichhältigere" Atmosphäre ge-wünscht. Sie schreiten daher weiter und stellen nach einer Viertelstunde fest, dass die hohen Stämme etwas zurückweichen, daher beschließen sie den Waldweg zu verlassen. "Merk´ dir den Weg", sagt die Frau. Er murmelt nur: "Ja, ja". Der Mann blickt stets suchend herum, während sie hinter einer Lichtung einen Jungwald entdeckt hat und diesen gezielt anstrebt. Als auch Joachim dort ein-trifft, hat sie schon das Gelände erkundet und präsentiert es ihm begeistert. Tat-sächlich scheint der Platz ideal für eine Rast. In einiger Entfernung erschwert eine Anhöhe mit einem "Gebirge" von teils mit und Moos bedeckten, mächtigen Steinen ohnehin ein Weiterkom-men in dieser Richtung. Zwischen höheren Bäumen und dem Jungforst bietet eine kleine Gras- und Heidekrautfläche einen Platz zum Verweilen. "Das ist für uns wie geschaffen", meint er und breitet gleich seine mitgebrachte Decke auf einer kleinen Grasfläche neben dem Beeren - kraut aus. Die Frau stellt in einiger Entfernung ihren Klapphocker an eine mittelstarke Lärche und setzt sich hin, wobei sie den Stamm als "Rückenlehne" verwendet, da sie weiß, dass im Inneren des Baumes heilsame Substanzen strömen, die dann zum Teil auch die Aura des Wal-des bereichern. Elvira wirft noch einen Blick in Richtung ihres Partners, kann ihn aber nicht erblicken. Sie steht nochmals auf und da sieht sie ihn, "alle Viere" von sich gestreckt auf einer Grasfläche zwischen den Beerenstauden liegen. "Na, um den brauch´ ich mir keine Sorgen zu ma-chen", sagt sie zu sich selbst im Niedersetzen. Was hat er gesagt ? Erstens, die Augen zu-machen, zweitens, nichts Bewusstes denken und nichts tun, drittens, die Augen geschlossen halten. Gut, sie schließt die Augen. ( "Das war kein Problem...!" ) Aber : Nichts denken und Nichtstun, wie soll d a s gehen? Ihn kann sie jetzt auch nicht fragen. Je mehr sie sich an-strengt, nichts zu denken, umso mehr Gedanken und "Dinge" stürmen auf sie ein. Sie er-innert sich an die Tipps ihres Mannes: Nicht wehren, nicht gewaltsam alles ausschalten wo-llen: "Gar - nichts - tun ! ". Als in der näheren Umgebung eine Wildtaube gurrt, öffnet sie kurz die Augen. "Oh Schreck, das darf nicht mehr passieren!", flüstert sie. "Aber warum gibt es hier keine Vogelstimmen?" Im gleichen Moment erkennt sie, dass sie sich zu wenig an die "Vor-gaben" des "Nichts Realistisches denken - nichts tun!," hält. Und so nimmt sie sich vor : Einfach alles geschehen zu lassen, was bei geschlossenen Augen kommen will. Dabei hilft ihr die Erkenntnis, "dass - ja eigentlich momentan eh´ nichts wichtig ist". An etwas Schönes denken ! Aber da kommt ihr - zum Trotz - plötzlich das ärgerliche, falsche Abzweigen mit dem Auto in den Sinn, zu dem sie selbst ihren Mann während der Fahrt nach Eggenburg ungewollt verleitet hat. Und sie dann einige Kilometer in die verkehrte Richtung gefahren sind. Während der ganzen Rückfahrt auf dieser falschen Strecke war Joachim sehr einsilbig... : "Wenn er wenigstens an-tändig´ geschimpft hätte...!") Aber was soll der Schmarrn hier? Es ist sicher nicht im "Sinne des Erfinders", wenn ich hier solche Missgeschicke verzapfe ! So ein "negatives Zeug", kann nicht zum gewünschten "Ruhigwerden" führen. Nach einer längeren Weile des "In - sich - Hin-einhorchens", wird sie tatsächlich spürbar gleichgültiger. Ihre Sinne werden jetzt zu den be-moosten Steinen da vorne gelenkt. "Gut von mir aus". Doch auch dafür nehmen ihre Gefüh- le bald wieder ab. Langsam bemerkt sie, dass sie eigentlich gar nichts richtig interessiert, son-dern ihr die Stille das liebste wäre. Aber "wie es halt immer auch ist, die Augen bleiben je-denfalls z u ! ". Angenehm empfindet sie die zart harzige Waldluft und die ungewohnte Be-haglichkeit. Nur die Taube gurrt in unregelmäßigen Abständen. (Aber das hört sie schon nicht mehr richtig). Allmählich stellt sich auch eine - nicht unerwünschte Gleichgültigkeit - ein und so besteht jetzt auch keine Gefahr mehr, dass sie die Augen willkürlich öffnet. Das Letzte, das sie einnickend denkt ist : Hier möchte ich i m m e r sitzen bleiben. Das inzwischen leise Zwi-tschern einzelner Vögel geht jetzt im Dämmerschlaf unter...
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JOACHIM glaubt schon Routine zu haben. Aber weit gefehlt ! Als er die Augen schließt, schie- ßen gleichzeitig die Gedanken ein : Morgen fahren wir nach Rappottenstein, wo eine Burgbesi-chtigung geplant ist. Muss ich vorher tanken? - "Nein, so geht das nicht !" Was hat dieses unge-bührliche "Getue" da in diesem Wald verloren? Indessen hat er auch ganz auf "seine Theorie" vergessen : Gar nichts tun, sich nicht wehren, Gedanken an "die Welt da draußen müssen für ihn Luft sein ". Wichtig ist jetzt nur : Augen zu und "geistig einschränken´". Das Empfinden, dass es momentan nichts Sinnvolleres gibt, als hier zu liegen, verleiht ihm eine große inne- re Genugtuung. Als sich schließlich seine Ameisen "einschleichen", wird er von dieser eige- nen Welt vereinnahmt und alles nimmt seinen gewohnten Lauf. Nach einigen Minuten "über-wältigen" die unzähligen, vor seinen geschlossenen Augen rastlos krabbelnden Ameisen, sein bereits getrübtes Bewusstsein, bis ihn schließlich das "ganze Volk" in der harmonischen For-mation einer ständig größer werdenden imaginären Spirale, all´ seiner Gedanken entbindet...
VOM WALD HABE ICH MEHR GELERNT, ALS AUS ALLEN BÜCHERN DER WELT" (Bernhard v. Clairvaux, Abt u. Mystiker um 1200)
ELVIRA erwacht nach einem
längeren tiefen Schlaf und dem schönsten Traum ihres Lebens, inner- halb etwa einer dreiviertel
Stunde. Sie fühlt sich glückselig und will diesen Zustand voll genießen. Als sie sich nach etwa zehn Minuten erhebt
und in Richtung ihres Mannes schaut, ist die Decke leer : Er wandert über einige hundert Meter entfernt suchend herum. Nach
längerem Winken und halblauten Rufen, kommt er dann näher. Sie geht ihm ein Stück entgegen. Dann fallen
sie sich - beide sichtbar glücklich - lachend in die Arme und tauschen ihre Erfahrungen aus. Die Frau fragt
ihn lächelnd: "Hast du einen Ameisenhügel gefunden?". Er steigt auf diese "anzügliche" Frage nicht gleich ein : "Wieso, ich habe ja
Schwammerl gesucht ? Trotzdem werde ich dir Übermorgen die Wunderwelt 'meiner' kleinen Koryphäen zeigen". Sie freuen sich beide schon heute auf die damit verbundene "Waldinspirierung" und genießen noch einige
Zeit das behagliche Flair ihres Rastplatzes, dann wandern sie Hand in Hand zurück. Wie beim Hingehen, bezeich-nen sie wieder die ihnen bekannten Blumen und Pflanzen
am Wegrand : "Buschwindröschen, Spitzwegerich, Waldveil-chen, Storchenschnabel, Schafgarbe..." Elvira kennt auch einige herumschwirrende Schmetterlinge : "Schwalbenschwanz, Tagpfau- enauge, Großes Ochsenauge". Jochim will mitreden können : "Und wie heißt der gelbe da ?", fragt er scheinheilig. Darauf sie : "Na, den kennt doch jeder Depp, das ist der Zitronenfalter." Joachim verschlägt es die Rede. Er wollte sich aus der Affäre ziehen und sagte zu seinem Ver-hängnis : "Ich hätte es ohnehin gewusst, ich wollte dich nur testen". - Sie revanchierte sich be-lustigt : "Darum sagte ich ja, den kennt jeder Depp !" Da hörte sich doch alles auf : Aber er stieg blitz-artig auf die Blödelei ein. Also fragte er, mit der Hand in eine Richtung zeigend : "Und wie heißt der blaue dort ?" Sie: " Wo, wo ? Blau ---?" Er : "Jetzt ist er weg, das war ein "Pflaumenfalter !". Sie (skeptisch) : "Gibt's den überhaupt?". Joachim : "Ja, sicher ! Weißt du das nicht ? Den kennt doch jedes kleine Kind !" Elvira tat als hätte sie nichts gehört, ließ aber nicht locker : "Da muss ich im Quartier dann im Buch Flora und Fauna nachschlagen." Das saß ! Oh, je ! Sie hat mich durchschaut ! Ich bin wirk-lich ein Depp. Ich werde ein Geständnis machen. Aber sie kam ihm zuvor und erklärte frohgemut : "Joachim, ich nehme den "Depp" zurück, aber deinen "Zwetschkenfalter" kannst du nicht zurücknehmen, den gibt es nämlich wirklich nicht ! ! ? Er : " Na schön. Gehen wir weiter und reden wir über die Ameisen.... !" Sie (letztes Wort - - - !) : "Ja, die haben - leider - alle die g l e i c h e F a r b e !" . . .
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